Geschäftsmodell Innovationen

Geschäftsmodell Innovationen

Geschäftsmodellinnovationen (Business Model Innovation)

Innovationen werden in vielen Unternehmen (immer noch) mit der technischen Entwicklung gleichgesetzt. Mit Hilfe des Innovationsmanagements und eines klaren Innovationsprozesses werden die unterschiedlichen Stufen bei der Entwicklung neuer Produkte strukturiert und mit Hilfe eines Innovationscontrollings einem Review unterzogen (siehe Phase 1 bis 6 in der inkrementellen Innovation). Der Prozess der Geschäftsmodellinnovation ist dagegen deutlich komplexer und umfasst je nach Unternehmensstruktur entweder die gesamte Organisation oder eine neue Business Unit. Häufig wird der Begriff Business Model Innovation verwendet, wenn Unternehmen bewusst ihr bestehendes und/oder gesamtes Geschäftsmodell überdenken, verändern erneuern.

In der Regel beginnt dieser Prozess mit der Formulierung einer innovativen Value Proposition sowie anschließend der Entwicklung eines Vertriebsmodells und dessen Monetarisierung. Business Model Innovation definiert erfolgreich umgesetzte Innovationen im Geschäftsmodell von Unternehmen. Im Gegensatz zur inhaltlichen Entwicklung von innovativen Produkt- und/oder Prozesslösungen, Services und Dienstleistungen geht es bei der Business Model Innovation also vor allem um deren Monetarisierung. Selbst vermeintlich kleine Veränderungen im Geschäftsmodell wie z. B. die Umstellung der Monetarisierung (Leasing statt Kauf) können in bestimmten Branchen oder Marktsegmenten eine Business Model Innovation darstellen.

Findet dieser Prozess ausschließlich auf Basis von Daten statt, werden Business Model Innovation auch als digitale Geschäftsmodelle bezeichnet. Dabei verlagert sich die Integration selber immer mehr von der physischen in die virtuelle Welt und wird mit technischen Schnittstellen realisiert (API-Economy), so dass feste digitale Ökosysteme entstehen.

Zu häufig werden Business Model Innovation immer noch mit völlig neuen, revolutionären und disruptiven Geschäftsmodellen gleichgesetzt und krampfhaft versucht, einen „Blue Ocean“ zu kreieren. Dabei reicht es häufig, Bestehendes neu zu kombinieren oder aus Kundensicht zu akzentuieren und permanent iterativ zu optimieren. Wer die Maximalvorstellung seiner Bedarfsgruppen zum Benchmark erklärt – und nicht den Branchenstandard oder Best Practice des Marktführers – wird nicht nur innovativ sein, sondern erfolgreich innovieren. Dies belegen genügend positive (z. B. Apple, Amazon) wie auch mahnende Beispiele (z. B. Nokia, Kodak).

Business Model Innovation ist ein permanenter und iterativer Prozess, der in seinem Impact unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann. Selbst kleine Veränderungen im Geschäftsmodell oder nur in dessen Monetarisierung können für den Kunden einen großen Nutzen auslösen und einen erheblichen Mehrwert bieten. Man muss also nicht zwangsläufig zum „Hacker“ seines eigenen Geschäftsmodell werden, um eine Geschäftsmodellinnovation zu entwickeln und erfolgreich zu vermarkten – aber man kann (mehr Informationen unter disruptive Innovationen).

Eines der größten Probleme von Geschäftsmodellinnovationen ist, dass es trotz der Kenntnis der zahlreichen Vorteile, der Bereitschaft zur Veränderung und hohen Komplexität in der Implementierung von Business Model Innovation kaum Methoden und Tools existieren, um diese systemisch und systematisch planen, entwickeln und umsetzen zu können. Auf bewährte Methoden kann in der Regel nicht zurück gegriffen werden, da diese auf die Effizienz bestehender Geschäftsmodelle ausgerichtet sind. Und agile Arbeitsmethoden von Startups können auf traditionelle Unternehmen nicht übertragen werden.

Aus unserer Erfahrung müssen Methoden zur Ideenfindung sowie Visualisierung und Bewertung von Geschäftsmodellinnovationen organisch entwickelt werden. Die so genannte Dynamic Capabilities – also Fähigkeiten von Unternehmen, interne und externe Kompetenzen zu integrieren, aufzubauen und neu zu konfigurieren, können nicht von außen entwickelt werden. Im Kontext von Innovationen gehören hierzu die Entwicklungs-, Kooperations- und Finanzierungsfähigkeit – sie sind das Herzstück der Innovationsfähigkeit von Unternehmen und Spiegelbild der Innovationskultur.

Dynamic Capabilities bilden die Klammer für widersprüchliche Vorstellungen, dass ein Unternehmen stabil genug ist, einen unverwechselbaren, ursprünglichen Wert zu liefern (Purpose) und gleichzeitig adaptiv genug ist, um sich agil zu verändern, wenn die äußeren Bedingungen dies erforderlich machen. Deshalb werden sie auch als Mikrofundamente und Fähigkeiten höherer Ordnung in der Evolution von Unternehmen bezeichnet. Dynamic Capabilities machen Unternehmen einzigartig und sind fast immer an originelle Geschäftsmodelle und -innovationen gebunden. Sie sind bei der digitalen Transformation die höchstrelevante und alles entscheidende Zukunftskompetenz von Unternehmen.

Zur Entwicklung, Visualisierung und anschließenden Bewertung von Business Model Innovation wird zunächst das bestehende Geschäftsmodell dargestellt und einem Stresstest unterzogen. Neben dem bekannten Business Model Canvas und seinen Adaptionen kann hierfür auch das Business Model Navigator Konzept der Universität St. Gallen verwendet werden. Neben den neun Dimensionen im Canvas beschäftigt sich der Business Model Navigator mit den Mustern und Mechanismen von Geschäftsmodellen. So hat die Universität St. Gallen herausgefunden, dass die meisten Geschäftsmodellinnovationen auf einer Rekombination von lediglich 55 Mustern (Pattern) basieren. Eines dieser 55 Beispiele sind der Verkauf von günstigen Geräten wie Drucker, Kaffeemaschinen oder Nassrasierer und dem Verkauf der hierzu im Vergleich teuren Nachfüll-Produkte wie Druckerpatronen, Kaffeekapseln und Rasierklingen. Daraus ergibt sich für Business Model Innovation folgende Vorgehensweise:

In der ersten Phase wird das bestehende Geschäftsmodell analysiert. Dieses auf traditionellen Werten aufgebaute und über Jahre auf Effizienz getrimmte Geschäftsmodell orientierte sich an den Umfeldbedingungen und der eigenen Umsetzungsfähigkeiten. Ideenfindung fand im bekannten Terrain statt und ist hauptursächlich, dass Unternehmen keine echten Innovationen entwickelt haben, sondern die bestehenden immer nur weiter entwickelt oder modifiziert haben. Beim Business Model Navigator Konzept liegt der methodische Ansatz darin, neue Geschäftsmodelle und/oder deren Monetarisierung dadurch zu kreieren, in dem die vorhandenen Muster mithilfe der 55 Business Cards neu kombiniert werden. Die neuen Ideen werden anschließend systemisch bewertet und einem Protyping und User-Testing unterzogen. Somit bekommt man erste Indikatoren, ob das neue Modell in der Praxis funktionieren wird. Bei der abschließenden Implementierung sollten alle Beteiligte rechtzeitig und aktiv mit eingebunden werden, da Menschen Veränderungen grundsätzlich skeptisch gegenüberstehen, egal wie vielversprechend etwas Neues klingt.